Psychotherapie des schlechten Gewissens
In der kognitiven Psychotherapie wird unterschieden zwischen „automatischen Gedanken“, „Schemata“ und
„Grundannahmen“. Automatische Gedanken sind situationsspezifische vorbewusste Situations- und
Handlungskommentierungen (z. B.: ich muss noch Brote schmieren, bevor wir mit den Kindern in den Zoo
gehen), die sich in übergeordnete Themen (Schemata) zusammenfassen lassen (z. B.: man muss sein Geld
zusammenhalten). Schemata basieren wiederum auf sog. Grundannahmen bzw. basic beliefs, d. h. übergeordneten
Weltsichten und Wertsystemen (z. B.: der Wert eines Menschen bemisst sich daran, was er in
seinem Leben schafft). Diese Grundannahmen dienen einem kohärenten Verhalten über die Lebensspanne hin
(z. B.: man muss in vielen verschiedenen Situationen Brote schmieren statt ins Restaurant zu gehen, um ein
Haus bauen zu können). Sie werden gesellschaftlich erworben und generationenübergreifend weitergegeben.
Grundannahmen sind weder richtig noch falsch, sondern je nach Rahmenbedingungen funktional oder
dysfunktional. Wenn es zu einem Verhalten im Widerspruch zu Forderungen aus Grundannahmen kommt,
dann führt dies zu einem aversiven emotionalen Zustand, dem „schlechten Gewissen“. Wenn Grundannahmen
in einem wichtigen Kontext über längere Zeit dysfunktional werden, dann können daraus psychische
Krankheiten entstehen. Die Aufgabe einer Psychotherapie ist dann, Grundannahmen und Kontext in
funktionale Übereinstimmung zu bringen.
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17.15 - 17.45

Michael Linden
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